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Survival-Kanada

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Yukon - auf den Spuren der Goldgräber
60o 43′ 0″ N – 135o 3′ 0″ W

Wo sich vor 100 Jahren Tausende auf den Weg machten, über den beschwerlichen White Pass und den Chilkoot Trail nach Whitehorse zu gelangen, um von dort per Schaufelraddampfer oder Floß dem Ruf des Goldes im nördlichen Yukon-Territorium zu folgen, ist der Mythos noch immer zum Greifen nah. Für uns ist er Antrieb, um einen Teil der Goldgräberabenteuer nachzuerleben.

Die Yukon-Tour 2017 wird unterstützt von:

Schwimmt das Ding? click the picture

A fed bear is a dead bear – click the picture

Unsere nächste Yukon-Tour

Termin: 07. Juni bis 05. Juli 2020

Preis: 3.250,- €

Teilnehmer: mindestens 4, maximal 8 Teilnehmer

Voraussetzung für die Tour ist ein vorhergehendes Survivaltraining bei any-way-out.
Ein Briefing erfolgt etwa vier Wochen vor Beginn der Tour.

Leistungen:

Alle Transfers in Kanada
Alle Übernachtungen in Hostels oder Campgrounds  inklusive Frühstück in Kanada
Gesamte Verpflegung während der Tour in der Wildnis
(Privatvergnügen in Whitehorse, Carmacks und Dawson City sind natürlich ausgeschlossen) ;-)
Angellizenzen
Tournotwendige Ausrüstung (siehe Ausrüstungsliste)
Floßbau
Floßfahrt von Whitehorse nach Dawson City
……und extrem viel Spaß!!!

Die halbe Yukon-Tour

Diese Tour endet oder startet in Carmacks (siehe Reisebericht unten)

Termin: Teil 1, Whitehorse bis Carmacks 07. Juni bis 21. Juni 2020

Termin: Teil 2, Carmacks bis Dawson City 21. Juni bis 05. Juli 2020

Preis: 2.750,- €

Yukon Reisebericht 2007

Abflug am 5.6. ca. 12 Uhr in Frankfurt, wir fliegen „mit der Zeit“, landen am 5.6. praktisch zeitgleich in Whitehorse ;-))
Der Start verzögerte sich wegen „US-Sicherheitsstandards“ um 45 Minuten. Die Maschine fliegt nach dem Stopp in Whitehorse weiter nach Anchorage in Alaska – und Alaska gehört nun mal leider zu den USA. Der Flugkapitän nimmt die ganze Sache mit Humor – wir auch. So hält sich auch das Ausfüllen der Declaration Card für Kanada in Grenzen, ganz anders für die Passagiere, deren Flug in Whitehorse noch nicht zu Ende ist. Na ja……

Nach unserer Ankunft in Whitehorse steht Erkundung auf dem Dienstplan: Wo gibt’s Werkzeuge, Ausrüstung, Verpflegung und die Angellizenzen. Nachdem das geklärt ist und die Reihenfolge der Besorgungen für den nächsten Tag festgelegt wurde, gehen wir noch zum Natural Ressource Office. Nur hier gibt’s die Woodcutting Permit – und die brauchen wir, wenn wir ein Floß bauen wollen. Das Büro schließt um 16:30 Uhr, wir stehen um 16:29 Uhr vor der Tür – Präzisionsarbeit ;-))

Peer Rinks, Leiter des Office, zeigt uns auf einer Karte Waldbrandgebiete am Lake Laberge, etwa 80 km nördlich von Whitehorse, ideale Gegend um wirklich trockene Baumstämme für unser Raft zu finden. Sehr ausführlich wird er bei den Schilderungen der Gefahren, die auf uns lauern können. Nicht wenige haben auf dem Yukon ihr Leben gelassen, oftmals weil dieser meist so friedlich ausschauende Fluss einfach unterschätzt wurde. Das Permit selbst ist zu guter letzt kostenlos.

Am nächsten Tag machen wir, wie geplant, die gesamten Besorgungen. Das ist absolut problemlos weil wir wissen, was wir brauchen und darüber hinaus nun auch wissen, wo wir es finden. Das Werkzeug für den Floßbau ist sehr überschaubar ;-)) eine Säge, ein Beil – fertig. Daneben nehmen wir noch einen Spaten für den „Spatengang“ und zum Ausheben unseres standardmäßigen Grubenfeuers.

Die wichtigsten Materialien für unser Floß sind Seile, sie sollen alles zusammenhalten. Das wird sich später als ausgezeichnete Idee herausstellen. Da der General Store genau gegenüber unserer Ausgangsstation liegt, fahren wir die eingekaufte Verpflegung mit dem Einkaufswagen direkt in unser Zimmer im Family Hotel. Auch wenn sehr viel dehydrierte Nahrung dabei ist, kommt doch ein enormes Gewicht zusammen – gut, dass wir mit dem Floß unterwegs sein werden und nicht alles tragen müssen.
Wir verteilen die Verpflegung möglichst gleichmäßig in große Müllsäcke, obwohl extrastark werden sie der langen Reise trotzdem bald Tribut zollen müssen.Startklar – morgen geht’s los!

7.6., Donnerstag – Heute beginnt die eigentliche Tour.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERAZunächst wollen wir „unser“ Waldbrandgebiet erreichen und dort das Floß bauen. Danach werden wir, wie die Goldgräber vor 100 Jahren, die Strecke bis Dawson mit dem Raft befahren. Für die erste Etappe haben wir deshalb noch 2 Kanus gemietet. Sie sollen uns bis Kilometer 122 bringen, das liegt im oberen Teil des Lake Laberges, etwa 10 Kilometer bevor der Yukon uns wieder in seine Strömung aufnimmt. Der gesamte See ist etwa 50 Kilometer lang. Plötzlich aufkommende Winde können ihn extrem tückisch machen, besonders wenn man zu weit in der Mitte fährt. Von Whitehorse bis zum Laberge sind es etwa 40 Kilometer. Am frühen Morgen bringt Thorsten, unser deutsch-kanadischer Kanuverleiher, bei dem man auch alle anderen Utensilien wie Kaffeekannen, Kochtöpfe oder das Bärenspray ausleihen kann, uns mit seinem riesigen Pick-Up zu unserer Einsetzstelle in Whitehorse. Pilar, Marc, Martin und ich verstauen Ausrüstung, Verpflegung und Werkzeuge in den beiden Kanus – ganz anständig der Tiefgang, aber noch lange nicht im Grenzbereich.

Dann geht’s los. Mit einer Fließgeschwindigkeit von etwa 10 Stundenkilometern unterstützt der Yukon unser paddeln. Bis zum Lake Laberge geht es deshalb mühelos voran, und wir haben ausreichend Zeit uns an einigen Weißkopfseeadlern zu erfreuen – das ist schon ein majestätischer Anblick! Der Yukon mündet ziemlich mittig in den Laberge, wir müssen dann auf die westliche Seite, dort ist unser Bauplatz. Wir dürfen uns dabei nicht in ständiger Ufernähe bewegen, weil wir sonst in eine rückläufige Bucht kommen und einen riesigen Umweg fahren würden. Zahlreiche Sandbänke erschweren zudem das Einhalten der Route in sicherer Ufernähe.

Also sind wir plötzlich da, wo wir nicht sein sollten – zu weit in der Mitte. Und wie es der Teufel will, kommt dann natürlich der Wind dazu! Windböen und Wellen brachten uns von einer kritischen Situation in die nächste – immer wieder runter auf die Knie, den Schwerpunkt ganz nach unten bringen! Marc und Martin brachten mehr Druck aufs Paddel und fuhren nun schon mehr als 100 Meter vor Pilar und mir – keine gute Ausgangslage, sollte eines der Kanus kentern. Schließlich erreichten wir doch wieder Ufernähe und konnten anlanden – Order für die Zukunft: In ähnlichen Fällen bleibt der Trupp geschlossen!

Nach einer kurzen Pause geht’s weiter zur Jackfish Bay, unserem Lagerplatz für die erste Nacht. Überall am Lake Laberge wächst wilder Schnittlauch. Wir sammeln eine kräftige Handvoll und zum Abendessen gibt’s Rührei mit Tomaten und Schnittlauch. Heute haben wir etwa 46 Kilometer geschafft.

Am nächsten Tag wollen wir unseren Floßbauplatz erreichen, der ist nur noch gut 30 Kilometer entfernt. Allerdings befinden wir uns nun auf dem See, haben demnach keine Strömung, die uns unterstützt. Das war uns natürlich schon vorher bewusst, und wir hatten den Plan, über den See zu segeln. Also bauten wir die 2 Kanus zu einem Katamaran um. Das ist relativ einfach – einen dicken Ast über die beiden Querstreben der Kanus gebunden, Segelstange drauf und Segel dran. Als Segel hatten wir uns eine 6 mal 4 Meter große blaue Plastikplane im Canadian Tire besorgt.

Der Umbau geht rasch, allerdings haben wir beim Start eine Flaute. Das ist Pech, so wird doch gepaddelt. Mit den beiden zusammengebundenen Kanus geht das wesentlich besser als gedacht, wir kommen schneller voran, als wenn jedes Kanu solo fahren würde. Nach einer Stunde frischt dann doch der Wind auf, wir setzen das Segel. Jetzt geht’s richtig flott zur Sache – und wie! Wir sind begeistert, so gut hatten wir uns das nicht vorgestellt. Nach der nächsten Rast wieder Flaute – macht nichts, wir paddeln noch gemütlich 2 Stunden und erreichen unseren Floßbauplatz.

Viele abgestorbene Tannen warten schon darauf, von uns zu einem Raft verarbeitet zu werden. Außerdem findet sich hier massenhaft angeschwemmtes Holz und sogar Bretter. Einige scheinen ein klein wenig östlicher ihren Ursprung zu haben, auf ihnen steht der Schriftzug „Alberta“ – damit hat unser Floß auch schon seinen Namen.

9.6., Samstag – Wir beginnen mit dem Floßbau

Bei der Erkundung am Vortag hatten wir festgestellt, dass etwa 200 Meter von unserem Floßbaulager entfernt eine von vielen Tieren bevorzugte Wasserstelle war. Ich fand das richtig Klasse, ließ es doch hoffen, dass wir wohl einige interessante Aufnahmen machen werden. Dass unter anderem auch Wolfsspuren und die Abdrücke eines Schwarzbären dabei waren, hatte die Mitreisenden jedoch tiefer beeindruckt, als ich das erwartet hatte. Glücklicherweise konnten die Bedenken hinsichtlich des Beuteverhaltens, insbesondere von Bären, recht problemlos relativiert werden und die Tatsache, dass auf unserer Reise keiner von einem solchen verspeist worden ist, unterstützt meine Theorie ;-))

Somit konnten wir nun unsere Aufmerksamkeit uneingeschränkt dem Floßbau widmen. Wir waren uns darüber einig, dass es ein traditionelles „Log Raft“ werden solle, also ein Floß aus Baumstämmen ohne weitere Auftriebshilfen, wie ausgeschäumte Tonnen, Kanister oder ähnlichem. In unserem Gebiet waren die Bäume nicht nur alle schon tot, sie lagen auch alle schon am Boden. Das war nicht unbedingt zu unserem Vorteil, lagen sie doch eher wie überdimensionale Mikadostäbchen übereinander. Und auch hier liegen die Besten bekannterweise meist ganz unten und man muss oben erst mal wegräumen.

Trotzdem hatten wir in nur drei Stunden das gesamte Material für unser Floß zusammen, 19 Baumstämme mit einem Durchmesser von 20 – 25 Zentimetern. Entastet wurde an Ort und Stelle, dort wo die Bäume lagen, das erleichtert den Transport. Die einzigen, die etwas dagegen zu haben schienen, waren schwarmweise auftretende Moskitos. Uns rann der Schweiß unter den Moskitonetzen. Später stiegen wir dann fast gänzlich auf Muskol um, ein wirklich zuverlässiges Moskitospray.

Nachdem die 19 Stämme am Ufer in der Form ausgerichtet waren wie sie uns denn auch auf dem Wasser tragen sollten, wurden sie an beiden Enden eingekerbt, um die Querstreben, die dem Floß Stabilität geben, besser fixieren zu können. Für den nächsten Tag nehmen wir uns den vollständigen Zusammenbau des Floßes vor, die Abfahrt wird für Montag, den 11. Juni geplant.

Am nächsten Tag kriechen wir seltsamerweise erst um 9 Uhr aus den Schlafsäcken – das muss sich ändern!

SamsungNach dem Frühstück geht’s an die Arbeit. Sie wird sich schwieriger gestalten als wir uns das vorgestellt hatten – Wind, Wellen, später kommt Regen dazu. Zunächst rollen wir die 19 Baumstämme ins Wasser, Martin steht drin und richtet sie provisorisch aus. Er wird bald von Marc abgelöst werden, das Wasser ist saukalt! Nachdem alle Stämme im Wasser liegen, werden sie vorne und hinten locker mit einem Seil zusammengezogen und fixiert. Dann legen wir ein paar Bretter quer über die Baumstämme. Nun kann man schon bequem darauf stehen. Stamm nach Stamm wird nun so gedreht, dass die Kerben oben liegen und dann mit der Querstrebe verbunden, zuerst auf der einen, dann auf der anderen Seite.

Ausgerechnet heute sind die Wellen sehr stark – das erschwert das Unterfangen. Durch die ständige Bewegung der Hölzer werden Hände und Unterarme beim Durchführen der Schnüre des öfteren in Mitleidenschaft gezogen. Somit haben wir am Ende des Tages lediglich den Grundbau fertig stellen können – weniger als geplant. Unsere Abfahrt wird sich um einen halben, vielleicht einen Tag verzögern. Den Stapellauf feiern wir trotzdem am Abend mit einem Schluck Wodka!

Montag, 11. Juni, wir stehen um 10:30 Uhr auf! Das wird sich nicht mehr ändern! Unser Tagesablauf verschiebt sich total. Wir sind bis weit in die Nacht aktiv, schlafen dafür bis Mittags. Es wird hier nicht dunkel, irgendwann zwischen 2 und 3 in der Nacht wird’s etwas schummrig, um 5 ist es schon wieder taghell. Egal, ab jetzt geben wir uns dem Rhythmus hin.

Heute geht’s an die Filigranarbeit. Wir haben genügend Bretter gefunden, um unsere Lager- und Standfläche auf dem Raft eben und damit bequemer zu gestalten. Gleichzeitig kommen wir somit höher aus dem Wasser. Das wird sich später, wenn die Baumstämme mit Wasser voll gesogen sind, als sehr vorteilhaft erweisen. Auch die Halterung für unser Segel, das wir auf der ersten Etappe auf dem Lake Laberge einsetzen wollen, ist schnell montiert. Marc und Martin tüfteln an den Halterungen für die Ruderstangen. Das Floß wird später immer mit der Strömung schwimmen, kann mit den Rudern also nur seitlich versetzt werden. Allerdings wird dabei ein Gewicht von annähernd 2 Tonnen zu bewegen sein. Dementsprechend zuverlässig müssen Ruder und deren Halterungen sein. Marc und Martin machen ausgezeichnete Arbeit. Wir werden zwar später noch eine Verbesserung einbauen, aber der Prototyp ist schon Extraklasse! Trotz unseres späten Tagesbeginns liegen wir gut in der Zeit. Das Floß ist fertig, der Wind steht günstig, und wir beschließen, noch heute zu starten.

11.6., Montag – Die Jungfernfahrt der „Alberta“

Da wir unsere beiden Kanus erst in Carmacks abgeben werden, das liegt etwa bei Kilometer 350, also auf halber Strecke, können sie uns noch eine ganze Weile als „Packesel“ dienen. Das ist, gerade beim Start, natürlich eine sehr willkommene Gelegenheit, können wir doch die Fahreigenschaften des Floßes und das Verhalten beim Rudern zunächst mit weniger Gewicht testen.

Wir beladen die Kanus und binden eines links das andere rechts ans Floß. Wenn uns der Wind über mehrere Tage im Stich gelassen hätte, wollten wir das Floß mit den Kanus schleppen, das bleibt uns nun erspart. Ein letzter Kontrollgang – alles an Bord – dann los!

Gerudert wird vorne und hinten gleichzeitig, nur so lässt sich das Floß in eine Richtung bewegen. Wird nur ein Ruder bedient, hat das bestenfalls eine Drehung zur Folge. Marc und Martin bringen uns mit wenigen Schlägen schnell einige Meter Richtung Seemitte, Pilar und ich helfen mit den Stakstangen nach. Der Wind bläst genau in nördliche Richtung – da wollen wir hin! Wir setzen das Segel, noch nicht wissend, auf welche Geschwindigkeit der Wind unser Raft bringen wird. Und wir sind erneut überrascht, es geht nicht so schnell, wie mit unserem Katamaran, aber durchaus zügig. Wir kommen gut voran.
Dass sich der Katamaran auch bei seitlichem Wind präzise steuern lässt, liegt auf der Hand. Das Floß dagegen zeigt sich wesentlich träger. Genau nördlich, da wo uns der Wind hin schob, ragte eine ausladende Landzunge in den Laberge. Das Eck ist nicht zu schaffen. Schon schrammen wir mit dem Ruder am Boden.

Marc, der für schwierige Situationen die Gummistiefel dabei hat, nimmt die Sache in die Hand. „Ich schieb uns da rum!“, und schon ist er im Wasser. Schnell wird er feststellen, dass für seinen Plan eine Wathose erforderlich gewesen wäre. Er bleibt gelassen, reißt ein paar Witze, auch wenn er fast bis zum Bauch im Wasser steht. Der Rest der heutigen Etappe ist problemlos. Wir steuern erneut auf einen felsigen Vorsprung zu, der liegt aber genau dort, wo wir ihn haben wollen – ein guter Platz für unser Nachtlager. Von hier sind es noch fünf Kilometer, bis der Yukon aus dem Laberge heraus seine Arbeit wieder aufnimmt. Von unserem Lagerplatz können wir den „Yukon-Eingang“ bereits deutlich sehen.

SamsungAm nächsten Tag stellt sich das Landzungenproblem nochmals ein. Diesmal arbeiten wir mit den Stakstangen, wir schieben das Floß in Kriechgeschwindigkeit Richtung Yukon – lange drei Stunden. Aber dann nimmt uns die Strömung doch auf. Das Manövrieren klappt bei den ersten Versuchen im Fließgewässer schon richtig gut. Wir schlagen unser Lager bei Kilometer 146 auf. Der Yukon zeigt sich auch gleich sehr „fischfreudig“. Nachdem wir die ersten beiden Fische im flachen Wasser haben stehen sehen, habe ich die Angel ausgepackt. Insgesamt vier Polaräschen sind an den Haken gegangen – ein großartiges Abendessen.

Vor dem Frühstück ziehe ich noch ein paar Mal den Blinker durch’s Wasser. Schon beim dritten Wurf hängt wieder eine Äsche dran – ein guter Tagesbeginn noch vor dem Kaffee!

Heute wollen wir bis Hootalinqua kommen, einer alten Holzfällersiedlung. Neben den zum Teil noch gut erhaltenen Holzfällerhütten wurden ein paar moderne Überdachungen für die Yukon-Reisenden errichtet, ebenso ein paar Toiletten.
Auf der rechten Seite mündet hier der Tesslin in den Yukon, er bringt gut und gerne noch mal dieselbe Wassermenge mit, allerdings auch sehr viel Schlamm, den er bei seiner langen Reise aus den Bergen aufgesammelt hat. Ab nun wird der Yukon immer trüber.

SamsungAuf der Fahrt zum Holzfällerlager sehen wir uns an der Natur satt – und natürlich werden auch weiterhin die Stellen „beblinkert“, die dazu einladen. Wir fahren an einem schilfbewachsenen Platz vorbei, leicht in einer Bucht gelegen mit sehr ruhigem Wasser – eigentlich der ideale Standplatz für einen Hecht. Mit zwei Meter Fließgeschwindigkeit pro Sekunde wird die Distanz zwischen dem Floß und dem vermutlichen Standplatz schnell größer. Nun werden es schon 25 Meter sein – der Blinker fliegt. Unmittelbar vor dem Schilf klatscht er ins Wasser.

Auch wenn kein Biss folgen sollte, lässt der Wurf das Herz höher schlagen, so präzise ist er! Doch der Biss kommt. Sofort mit dem Umklappen des Verschlussbügels der Rolle ist mächtig Zug auf der Schnur. „Das ist der Hecht!“, da bin ich mir sicher.Schnell ist er bis in Floßnähe gekurbelt, er leistet nicht viel Gegenwehr. Der alte Jäger zeigt sich vielmehr überrascht, dass er urplötzlich in der Rolle des Gejagten ist. Damit konnte er nicht rechnen.

Samsung55 Zentimeter, das ist schon ganz anständig. Es sollen noch zwei Äschen dazukommen, auch weil Marc nun endlich seinen ersten Fang macht. Die zu einem Grill umgebaute Tonne in Hootalinqua ist für den Hecht gerade noch breit genug, die Polaräschen kommen in die Pfanne – ein fürstliches Mahl!

Nur wenige Meter nach Hootalinqua liegt mittig im Yukon eine Insel. Hier musste sich vor gut 50 Jahren der Raddampfer „Evelyn“ den Untiefen des Yukons geschlagen geben. Die Überreste des Wracks liegen irgendwo im wilden Pflanzengewirr auf der rechten Seite der Insel. Auf die rechte Seite werden wir es mit dem Floß nicht schaffen, zu stark drückt der Tesslin. Vielleicht können wir aber auf der linken Seite anlanden und uns zur anderen Seite durchschlagen. Der Wunsch bleibt Vision. Zu schnell ist die Strömung, da ist nichts zu machen. Auch für das zweite Wrack, die „Klondike“, die nur wenige Kilometer weiter liegen soll, sind wir zu schnell. Schade – vielleicht ein ander Mal!

In der Folge werden ein paar kleinere Verbesserungen am Floß vorgenommen. Die Ruderhalterungen geben ein wenig nach, sie werden neu geschnürt, wir bauen links und rechts noch einen Baumstamm an, weil das Floß durch die voll gesogenen Stämme erheblich mehr Tiefgang hat. Es wird aber letztlich bei kleineren Reparaturen der „Alberta“ bleiben – unsere erster Entwurf war uns nämlich schon ganz hervorragend gelungen!

Die Strömungsgeschwindigkeit nimmt langsam aber stetig zu, wir machen nun fast zehn Kilometer in der Stunde. Nicht nur deswegen gestaltet sich die Campsuche mitunter als schwieriges Experiment. Mal verhindert wildes Gestrüpp und Unterholz das Anlanden, mal ist der Steilhang zu hoch, um schnell genug zum nächsten Baumstamm zu gelangen und das Raft dort festzubinden. Das ist in der Regel meine Arbeit. Haben wir das Glück, am Anlandepunkt in ruhigeres Wasser zu kommen, ist das kein Problem. Oft aber herrschen zwei Meter Fließgeschwindigkeit pro Sekunde – auch in Ufernähe. Am Floß sind an beiden Seiten Seile befestigt, um unseren schwimmenden Untersatz an Land zu befestigen. Beim Anlanden wird das Floß damit zunächst abgebremst. Wir mussten, wollten wir denn so langsam ans Anlegen denken, unmittelbar am Ufer entlangkratzen und mit Argusaugen nach Stellen Ausschau halten, die zum einen brauchbaren Campground versprachen, auf der anderen Seite aber zumindest auch die Wahrscheinlichkeit der schnellen Floßbefestigung boten. Das Erkennen des möglichen Lagerplatzes mit machbarem Anlegeplatz bedeutete deshalb auch gleichzeitig immer: „Sprung!“ Ab diesem Moment begann für mich dann der Lauf gegen die Zeit. Den Blick nur auf den potentiellen Ankerpunkt gerichtet, muss die Strecke möglichst schnell überwunden werden, sonst ist das Floß weg! Erreiche ich den Punkt wie geplant, bleibt die Konzentration weiterhin ausschließlich beim Ankerprozess. Der Blick zum Floß würde wertvolle Zeit kosten und mich (wahrscheinlich) eine extrem anstrengende Durchschlageübung bis ich womöglich hunderte von Metern flussabwärts wieder zu meiner Floßmannschaft stoßen könnte. Nachdem ich den ausgemachten Baum erreiche, schlinge ich das Seit einmal herum. Das genügt, um eine so starke Hebelwirkung zu erzielen, damit das fast zwei Tonnen schwere Floß am Ufer zum Stehen kommt.

SamsungZudem ist das Anlanden mit dem Floß immer eine Sekundenentscheidung. Verpassen wir einen guten Campground, ist er weg – eine zweite Chance gibt’s nicht. Auch überhängende Äste und, durch die stetige Unterspülung der Uferböschung durch den Yukon, umgestürzte, quer in den Fluss hineinragende Baumstämme machen uns mitunter das Leben schwer.

Bei Kilometer 318 wollen wir einen Lagerplatz anlaufen. Dort macht der Yukon eine scharfe Linkskurve. Dadurch, dass hier eine nur etwa 30 Meter vom Ufer entfernte Insel liegt, zieht uns dieser schmale Arm förmlich in seine Richtung. Aber genau dort steht im nur wenigen Zentimeter hohen Wasser ein kleiner Weidenstrauch. An dem kommen wir nicht vorbei! Das Floß hakt ein, das Heck ist schnell überflutet – nun wird’s ungemütlich! Aber bevor die unbeschreibliche Kraft des Wassers Schlimmeres mit uns machen kann, schiebt sich das Heck nach vorne – eine halbe Drehung und wir sind wieder im Fluss.

Auf unserer Flusskarte hat uns ein Bekannter, der den Yukon schon öfter befahren hat, an genau dieser Stelle, und zwar auf der Insel, eine gute Campmöglichkeit eingezeichnet. Wir sind skeptisch, ist doch bisher keine Vorhersage, die er uns mit Marker gemacht hatte, eingetreten. Weder die guten Fischplätze waren da, wo sie groß und fett in Rot geschrieben standen, noch die Lagerplätze. Die wirklich guten Plätze fanden wir immer woanders. Warum sollten wir uns diesmal drauf verlassen?

Wir können auf der Insel keinen Anlandepunkt ausmachen. Ich entscheide: „Nach links!“ – das ist das Festland. Marc und Martin legen sich in die Riemen. Wir machen am Ufer eine gute Anlegemöglichkeit aus – da sehen wir auf der Insel einen der schönsten Campplätze an uns vorbeiziehen – So ist das Leben….. ;-))

Wir werden die Nacht schräg gegenüber campieren Wir weinen der Sache keine Träne nach, auch unser Lagerplatz kann sich durchaus sehen lassen!

17.6., Sonntag – Kilometer 350, Carmacks

Das ist auf der Strecke praktisch der einzige Halt in der Zivilisation. Hier gibt es einen Store, ein Restaurant, eine Bar und ein öffentliches Laundry, in dem wir unsere Kleider waschen und endlich mal wieder eine Dusche genießen können.

Nach einer langgezogenen Linkskurve läuft der Yukon zügig in Carmacks ein. Kurz vor dieser Kurve sehen wir ein großes weißes Schild am linken Ufer „Campground 2 km“. Dort möchten wir hin, hier werden wir die beiden Kanus abgeben und danach nur noch mit dem Floß weiterfahren. Was sagte Thorsten, auf welcher Seite soll der Campingplatz liegen? Nach meiner Erinnerung war es links, ich bin mir aber nicht ganz sicher. Die anderen sind das genauso wenig. Das Schild selbst gibt darüber auch keine Auskunft. Die Tatsache aber, dass es auf der linken Seite angebracht ist, lässt vermuten, dass sich auch unser Anlandepunkt links befinden wird. Das erscheint uns allen logisch, also bleiben wir möglichst weit links. Die Linkskurve wird uns in ihrer Hauptströmung ohnehin ein wenig nach rechts ziehen, so wollen wir versuchen, dort nicht zu stark hineinzugeraten. Am Ende der Kurve sehen wir ein weiteres Schild „Campground“ – nun auf der rechten Seite. Und wenige Meter weiter ist er auch, der Campground – und zwar rechts!

Es folgt ein kurzer, heftiger Kampf gegen den Yukon – den kann man nicht gewinnen. Unser Campgelände zieht an uns vorbei. Ok, das ist noch kein Beinbruch. Obwohl Carmacks nur eine Handvoll Einwohner hat, ist das Örtchen doch, so wie alles hier in Kanada, auf eine sehr breite Fläche verteilt, und das eigentliche Leben spielt sich erst ein paar hundert Meter weiter flussabwärts ab. Dort befindet sich die einzige Brücke zwischen Whitehorse und Dawson. Dahinter MÜSSEN wir anlegen, ansonsten war’s das mit Proviantaufbesserung, warmer Dusche und kaltem Bier.

Diese Annehmlichkeiten vor Augen setzt Kräfte frei, trotzdem fordert uns der Kraftakt, wieder zurück zum linken Ufer zu rudern, alles ab. Aber es gelingt. Der Haken an der Sache: die Strömung ist hier enorm stark – da steht uns noch was bevor. Links hinter der Brücke befindet sich eine kleine Bucht – der Anlegeplatz vom ehemaligen Campground. Dort ist das Wasser stehend, vielleicht sogar rückläufig. Das heißt für uns, wir müssen direkt nach dem Brückenpfeiler alle Kraft nach links werfen. Die hintere Ruderhalterung hat sich zwischenzeitlich schon wieder stark gelockert. Schon vor der Brücke setzen wir das Floß so weit wie möglich an die linke Seite. Wir streifen ein paar Sträucher. Ein Paddel, das im Kanu einfach nur zwischen den Rucksäcken eingesteckt war, verfängt sich im Gestrüpp, im nächsten Moment hat es sich der Yukon einverleibt.

Wir rauschen förmlich unter der Brücke durch. „Jetzt!“ Mit wenigen starken Ruderschlägen gelingt es tatsächlich, das Floß aus dem stärksten Sog herauszuziehen! Wir werden langsamer. Doch auch hier stellt sich uns noch ein kleines Weidenbäumchen am Uferrand in den Weg. Erneut kommen wir nicht vorbei.

SamsungWir haken am rechten Bug ein. Das Raft ist immer noch verhältnismäßig schnell, so verschiebt sich der gesamte Unterbau diagonal, Wasser tritt über das Heck bevor die Macht des Wassers es nach vorne schiebt. Eine halbe Drehung, noch zwei Ruderschläge und wir sind angelandet. Die Ruderhalterung hängt nur noch an einem Faden! Das Bier heute Abend ist redlich verdient! Wir genehmigen uns einen Tag Erholung, waschen, duschen, kaufen ein wenig ein und bringen das Floß wieder auf Vordermann. In zwei Tagen erwarten uns die „Five Finger Rapids“, einer der Höhepunkte für jeden Yukon-Reisenden. Für diese Stromschnellen wollen wir vorbereitet sein, sowohl materialmäßig als auch mental.

20.6., Mittwoch – Die „Five Finger Rapids“

Diese berüchtigten Stromschnellen haben deshalb ihren Namen, weil sie – aus der richtigen Perspektive betrachtet – an eine riesige Hand erinnern, die aus dem Wasser ragt, genauer gesagt, an fünf Finger.

Es scheint unglaublich, dass auch diese Passage jahrzehntelang von Raddampfern befahren und (fast) immer gemeistert wurde. Heute stellen sie für jeden Yukon-Kanuten den Höhepunkt dar, für uns mit dem Floß ist das eine besondere Herausforderung.
Wildwasser erfahrene Experten wagen gelegentlich, einen der linken Kanäle zu befahren, wirklich sicher ist nur der rechte – und für Floßfahrer ist es ohnehin der einzig mögliche Weg. Wir haben uns lange darauf vorbereitet, und unter die Vorfreude mischt sich immer wieder gehöriger Respekt.

Vor dem Start verzurre ich unser Gepäck, die zwei wasserdichten Tonnen, unsere Rucksäcke, Marc’s Expeditionskiste und die schwarzen Müllsäcke, in denen wir unseren Proviant verstaut haben, noch gründlicher als sonst. Wir starten bei Kilometer 371, bis zu den „Five Finger Rapids“ sind es 13 Kilometer. Genügend Zeit, um sich auszumalen, was denn alles schief gehen könnte. Wir brauchen etwa eineinhalb Stunden bis wir zu der lang gezogenen Rechtskurve kommen, die an ihrem Ausgang den Blick auf die Rapids freigibt. Wir „schleichen“ endlos in der rechten Ufernähe durch die Kurve, sie will und will kein Ende nehmen. Bei allem Respekt, mir geht’s zu langsam. Ich nehme die Angel zur Hand. Auch wenn heute keiner beißen mag, zumindest vertreibt es die Wartezeit.

Endlich sind die Stromschnellen zu sehen. Sie sind so beeindruckend, wie wir es uns vorgestellt hatten. Es rauscht von weitem schon bedrohlich. Wir bleiben rechts, es sieht aus, als sollte der rechte Kanal problemlos angelaufen werden können. Den Kanal selbst müssen wir dann mittig nehmen.

Auf dem Felsen am rechten Ufer ist eine Zuschauerplattform. Es ist sicher für jeden Besucher etwas Besonderes wenn gerade dann, wenn er dort oben steht, ein Kanute sein Glück in den Stromschnellen versucht. Ein Floß ist darüber hinaus eine absolute Rarität. Heute scheint niemand dort oben zu stehen. Als wir um die Kurve geschlichen kamen, konnten wir eben noch einen großen Touristenbus sehen, der den Aussichtspunkt verließ.

Kurz vor dem felsigen Eingang schieben wir das Raft in die Mitte des rechten Kanals: „Den Hintern noch ein wenig rein! Nase nach rechts! Passt!“ Martin steht hochkonzentriert am vorderen Ruder. Das Floß liegt sauber genau in Fahrtrichtung auf dem Wasser. Jetzt geht’s los! Der Bug taucht ein, das Wasser schwappt über das Floß aber es liegt unwiderstehlich in den Fluten – Klasse!

Und dann kommt doch Gejohle vom Felsen. Ein paar Burschen haben das Glück, ein Floß durch die Rapids fahren zu sehen, zudem mit perfekten Manövern! Marc und ich können es uns nicht verkneifen, wir lassen die Rapids Rapids sein und winken den Burschen zu, wirkt cool, isses auch ;-))

Wenige Kilometer später folgen noch die „Rink Rapids“, auch sie sind rechts zu nehmen, sind aber viel zahmer als die „Five Fingers“. Das klappt jetzt schon eher spielerisch.

SamsungAm Abend genehmigen wir uns ein Fläschchen kanadischen Rotwein. Wir gehören nun zu dem erlauchten Kreis derer, die die Stromschnellen mit dem Floß befahren haben!

Als Nachtlager nach den Five Finger Rapids hatten wir uns ein Fischcamp ausgewählt. In diesen Camps werden in 2, 3 Monaten, also in der Lachshauptsaison, zentnerweise Lachse getrocknet. Die Gestelle zum Trocknen bleiben dann, nachdem die Saison beendet ist, für den Rest des Jahres dort stehen. Unser Fischcamp liegt direkt an der „Old Wagon Road“, das ist ein ehemaliger Handelsweg, der nur noch auf ein paar hundert Meter als solcher zu erkennen ist.

Das Camp ist vom fahrenden Floß nicht auszumachen. Und da wir schon einige Male erlebt haben, dass ein guter Campground urplötzlich nach einer Gestrüppreihe auftaucht und im nächsten Moment an uns vorbeigehuscht ist, wollen wir diesmal vorher anlegen und den Lagerplatz zu Fuß ausfindig machen.

Da wir sehr schnell auf die Old Wagon Road stoßen, werden wir auch bereits nach kurzer Zeit fündig. Der Platz ist hervorragend geeignet, und mit unserer „no trace camp“ Methode wird selbst der Eigentümer niemals feststellen, dass wir hier gewesen sind. Nur das Anlanden macht uns Kopfzerbrechen – Gestrüpp, so weit das Auge reicht. Zu Fuß ist da kein Durchkommen. Nur eine schmale Schneise, gerade groß genug für ein Kanu, verbindet über ein schmales Pfädchen das Camp mit dem Yukon.

Hier greift unsere Technik des schnellen Abspringens mit dem anschließend blitzschnellen Halbmastwurf um einen Baum nicht. Hier muss was anderes her. Mittendrin im Gestrüpp liegt ein kräftiger, angeschwemmter Baumstamm. Daran könnte man das Floß abbremsen und festbinden. Allerdings ist hier absolut keine Bewegungsfreiheit, hat man oben ein paar Äste zur Seite geschoben, stolpert man schon unten. Die einzige Chance wäre, wenn ich an Land bleibe und die anderen mir vom fahrenden Floß das Seil zuwerfen. Das müsste aber alles äußerst präzise ablaufen – ein sauberer Wurf, keine Verknotung, und ich sollte bei diesem Eiertanz auf den Beinen bleiben! Wir versuchen’s trotzdem, no risk no fun ;-))

Auch hier gibt es keine zweite Chance, das ist uns klar. Also nutzen wir die erste – das Fischcamp wird diese Nacht von uns eingenommen.

22.6., Freitag – Fort Selkirk

An Tom’s Location bei Kilometer 445 treffen wir Rin Hayashi. Wir hatten ihn schon kurz vorher auf dem Fluss vorbeifahren sehen, als wir, auf der Suche nach einem Camp, in Minto mit einem Fährmann sprachen. Der Platz in Minto gefiel uns nicht, und so entschlossen wir uns, noch ein weinig weiter zu schippern. Tom’s Location war auf unserer Karte eingezeichnet, das wollten wir uns näher anschauen. Als wir dort ankamen, baute Rin gerade sein Zelt auf.

Rin, der – aus welchen Gründen auch immer – nichts gegen die Moskitos unternahm, erzählte uns von seiner Tour, wobei er ständig seine total zerstochenen Beine aufkratzte. Er habe diese Reise schon lange geplant, den letztendlichen Entschluss dann aber doch eher kurzfristig in die Tat umgesetzt. In Japan programmierte er irgendwelche Chips. Ob er denn auch von Whitehorse wieder in seine Heimat fliegen werde, wollen wir wissen. Zurück? Nein! Nach dem Yukon will er nach Argentinien – mit dem Fahrrad! Zwei Jahre Auszeit habe er sich genommen – wohl dem, der kann! ;-)) Rin wird uns eine Weile begleiten. Er schießt ein paar Fotos von uns auf dem fahrenden Floß, wir einige von ihm in seinem Kajak.

SamsungAm nächsten Tag werden wir an Fort Selkirk vorbeikommen, das soll sehenswert sein, und das möchten wir uns natürlich ansehen. Für Rin ist das kein Problem, er ist mit seinem Kajak wesentlich flexibler als wir mit dem trägen Floß.  Für uns wird der Besuch im Fort davon abhängen, ob wir einen Anlandepunkt finden und im richtigen Moment zuschlagen.

Fort Selkirk liegt lang ausgestreckt auf der linken Uferseite nach einer lang gezogenen Rechtskurve. Auf die gesamte Länge ist nur steiniger, etwa drei Meter hoher Steilhang sichtbar – schlechte Verhältnisse zum Anlegen. Also probieren wir es, noch bevor der Steilhang beginnt. Hier allerdings finden wir nur wildes Gestrüpp. In dem Wirrwarr mache ich einen brauchbaren Strauch aus, der müsste stark genug sein – wenn ich es denn schaffe, dass Seil schnell genug herum zu binden.

Ich springe. Diesmal soll’s nicht klappen, zu verwachsen ist die Stelle. Ich kann das Seil nicht hinter dem Ast hervorziehen bevor das Floß Zug darauf gibt. Das Seil quetscht meine Hand an den starken Ast, ich halte noch einen Augenblick fest, gebe mich dann aber sehr schnell den etwa zwei Tonnen Gesamtgewicht geschlagen. Nichts zu machen – Floß weg! Nur gut, dass ich mit Handschuhen gearbeitet habe!

Reiner Zufall, dass ich ausgerechnet hier einmal schnell durch den Wildwuchs komme. Schnell bin ich auf der Anhöhe, dort wo das Fort beginnt. Der Rest meiner Crew hält das Floß in Ufernähe und gleichzeitig nach mir Ausschau. Alles ok, ich bin noch da, und heil bin ich auch noch! Etwa 100 Meter weiter vorn sehe ich drei Tannen im Steilhang stehen – ideal! Ich gebe den dreien zu verstehen, dass wir dort das Floß festmachen, das Seil zuzuwerfen hatten wir ja schon geübt. Der Rest ist Routine. Damit ist unser Aufenthalt in Fort Selkirk gebucht.

Fort Selkirk ist eine Ansiedlung aus der Zeit des Pelzhandels und liegt gegenüber der Pelly-Mündung. Die alten Gebäude wurden bis zur Jahrtausendwende von einem „Wächter“ instandgehalten, der jeden Besucher in sein Gästebuch aufnahm. Als er vor wenigen Jahren starb, übernahmen seine Schwester und ihr Mann, Don Trudeau, diese Aufgabe. Don ist Schamane und Autor. Seine Bücher handeln, wie sollte es anders sein, über Weisheit, Natur und Heilkräfte. Don erzählte uns einiges über die häufigen Waldbrände am Yukon, über seine Lehren, die Elchjagd oder die Begegnung mit einem Bären bei der Fischverarbeitung.
Im traditionellen Gästebuch in Fort Selkirk steht hinter meinem Namen der Eintrag: „nächstes Jahr, am gleichen Platz – wir sehen uns“.

23.6., Samstag, Havarie!

Für heute steht Blindflug auf dem Programm, in unseren Channel Charts fehlt das Kartenblatt für einen Teil unserer heutigen Etappe, etwa 15 Kilometer. Die Flusskarte zeigt die Hauptstromrichtung an, den Flussverlauf, die Entfernungen, vor allem aber gefährliche Stellen wie Stromschnellen, Untiefen oder Hindernisse im Wasser. Heute ist besondere Wachsamkeit angesagt.
Aber schon nach wenigen Kilometern zieht uns ein kleiner Seitenarm in seine Strömung, keine Chance, wir kommen nicht zurück in den Hauptstrom – schon sitzen wir auf einer Kiesbank fest. Das Wasser ist nur knöcheltief, die Stakstangen bringen uns nicht weiter. Also rein ins kalte Nass! Pilar hilft mir, das Floß rauszuhebeln – das klappt leichter als gedacht.

Aus dem kleinen Seitenarm kommen wir problemlos wieder zurück ins flotte Fließgewässer. Dann wird der Yukon überschaubar breit. Auf die nächsten Kilometer werden wir mit keinen weiteren Überraschungen rechnen müssen – denken wir, aber dann überrascht uns der Regen. Ein lang anhaltender Wolkenbruch versucht uns zu zermürben, gut und gern eine Stunde. Dann gibt er doch auf. Es wird Zeit zum Anlegen. Noch immer befinden wir uns im Bereich des fehlenden Kartenblattes. Wir fahren nicht weit entfernt vom linken Ufer. Hier befindet sich aber bereits seit mehreren Kilometern ein gut zwei Meter hoher Steilhang. Keine Möglichkeit den in der zur Verfügung stehenden Zeit zu erklimmen. Oben sähe es klasse aus, Tannenwald. Das bedeutet gleichzeitig auch immer gute Campmöglichkeiten. Auf der rechten Seite stehen ausschließlich Pappeln. Und in den Pappelwäldern befindet sich immer schwer zu begehendes Unterholz mit unglaublich vielen stachligen Hundsrosen. Wenn es sich irgendwie machen lässt, bevorzugen wir die Tannengebiete. Aber hier lässt sich nichts machen. Wir beschließen, doch nach rechts zu rudern.

Das fehlende Kartenblatt hätte uns verraten, dass der Steilhang nach wenigen hundert Metern dann doch aufhört, genau in dem Moment, als wir fast auf der anderen Seite sind! Links sehen wir nun besten Campground – das Leben ist ungerecht. Rechts ist immer noch alles unwegsam, somit fassen wir den Entschluss der harten Umkehr. Knochenarbeit. Und wie es der Teufel will, reicht unsere Anstrengung auch hier nicht aus. Das gute Campgelände zieht an uns vorbei. Wir kommen nun in einen lang gezogenen Rechtsbogen, der aber offensichtlich auch gute Campplätze bietet. Rechts von uns ist eine Insel. In dieser ausgewaschenen Kurve ragen besonders viele umgestürzte Bäume in den Fluss. Wir müssen immer wieder ausweichen, bleiben aber stets in Ufernähe, um bei einem potentiellen Anlandepunkt zuzuschlagen. Die Strömung ist enorm stark.

Wir halten Ausschau nach einem geeigneten Platz für unser Nachtlager, vernachlässigen einen Augenblick die Gefahren am Uferrand. Da kommt er auch schon auf uns zugeschossen, ein mordsmäßiger Ast – nein, das ist ein ausgewachsener Baum!
Ausweichmanöver! Volle Kraft nach rechts! Es soll nicht genügen. Unser Segelgestänge hakt sich ein. Ducken! Ich greife blitzschnell die Angel, die ans Segelgestänge angelehnt ist. Im nächsten Moment haben wir Wassereinbruch im Heck. Weder die Segelstange gibt nach noch der Baum. Unser Floß steigt mit dem Bug aus dem Wasser. Im Winkel von etwa 45 Grad taucht dann das Heck links weg. Das ganze Raft verschiebt sich. Ich habe den Eindruck, dass nun alles auseinander bricht, sehe nur noch drei Baumstämme miteinander verbunden. Was mag einem alles durch den Kopf gehen in einer solchen Situation? Seltsamerweise schießt mir durch den Kopf, dass wir gut in der Zeit liegen, und das Floß wohl noch rechtzeitig reparieren werden. Dann kracht’s. Der rechte Teil des Segelgestänges hat doch nachgegeben. Das Floß ächzt in seine Ausgangsstellung zurück. Pilar fällt mir praktisch in die Arme. Dann schreit Marc: „Zieh den Martin raus!“ Erst jetzt sehe ich, dass er halb von Bord gegangen ist, er hängt nur noch mit den Beinen in der Ruderaufhängung. Ein Ruck und er ist wieder oben.

SamsungAlle sind unverletzt! Marc und ich rudern uns aus der Gefahrenzone. Die Ruder und die Halterungen haben gehalten. Nicht nur das – unsere gute Alberta ist bis auf die rechte Segelstange unversehrt! Wir können’s kaum glauben, vor allem nicht, als wir später auch noch feststellen, dass alles an Bord geblieben ist. Wir haben bei dieser Aktion nichts verloren! Wir landen nur 300 Meter nach dieser brenzligen Situation an, ein schmaler, morastiger Uferstreifen, der gerade so breit ist, dass wir die Zelte aufstellen können.

Lagerfeuer und Abendessern gibt’s heute auf dem Floß.

Der Zustand der vollständigen Funktionsfähigkeit war wesentlich einfacher wieder herzustellen, als das ursprünglich den Anschein hatte. Nur Martin’s Kameraausrüstung hatte ein wenig Wasser abbekommen und trocknete die nächsten Tage bei jeder sich bietenden Gelegenheit in der Sonne. Am private Campground Kirkman Creek staunten wir nicht schlecht, als wir mit Kuchen und heißer Schokolade empfangen wurden. Wie oft mag wohl hier überhaupt jemand vorbei kommen? Fast hatte es den Anschein, als hätte man uns schon erwartet. Auf unserer Flusskarte stand genau an dieser Stelle noch einmal in fetten Lettern „GOLD“.

Der Kirkman Creek, der bis hinunter zum Yukon noch jetzt mit zahlreichen Eisschollen verziert ist, schimmert uns einladend an. Tatsächlich wurden wir schon bald fündig, und jeder wollte die Goldwaschpfanne schwenken. Auch Petri war uns noch mal wohl gesonnen. Ein Inconnu mit stolzen 65 Zentimetern konnte dem Blinker nicht widerstehen.

27.6., Mittwoch, Kilometer 684, „Unser“ Bär!

Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, nicht mal mehr 70 Kilometer bis Dawson, und wir hatten noch kein wirklich großes Tier gesehen – schon einige Biber, viele Adler, mal ein Erdmännchen und unzählige freche Eichhörnchen, aber noch keinen Bären, auch noch keinen Elch.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERADann aber war es so weit. Wie aus dem nichts erscheint er auf der von uns aus gesehen rechten Insel. Der Schwarzbär geht ruhig am Ufer entlang, nimmt uns auf dem Floß sicher war, zeigt für uns aber nicht das geringste Interesse. Er stapft gemächlich in den Yukon und schwimmt hinter uns hinüber zur anderen Insel.

Und als wäre es in der Reiseablaufplanung so vorgesehen gewesen, folgen die Elche direkt am nächsten Tag. Zunächst schrecken wir eine Elchkuh mit ihrem Kalb auf, die hastig im Unterholz verschwinden. Nur wenige Kilometer weiter trabt dann die nächste Elchmutter mit ihren zwei Kindern gemütlich am Ufer flussaufwärts.

Wir sind zufrieden!

29.6., Freitag, Dawson City

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERAEine abenteuerliche Reise neigt sich dem Ende entgegen. Wir schlagen unser Lager in Dieter Reinmuths Hostel auf.
Die vielen Hinweis- und Verbotsschilder auf seinem Platz lassen schnell erahnen, dass er seine Wurzeln in Deutschland hat. ;-))
Aber sie sind jedes Mal auf liebevolle Weise gemacht und laden zum Schmunzeln ein. Dieter wird uns in drei Tagen nach Whitehorse zurück bringen. Bis dahin lassen wir es uns in Dawson gut gehen, feiern den erfolgreichen Ablauf unserer Reise, kaufen ein paar Geschenke ein und haben das Glück, den Unabhängigkeitstag der Kanadier, den 1. Juli, in diesem urigen Goldgräberstädtchen mitzuerleben.

In wenigen Tagen geht’s zurück nach Deutschland, aber ein Teil von mir bleibt hier.
… und den werde ich früher oder später besuchen!

Unsere Partner in Kanada

Dawson City River Hostel, Dieter Reinmuth